Ingenieurbiologie
Fast alle unserer Fließgewässer sind anthropogen beeinflusst, sie sind begradigt, kanalisiert oder gar von der Oberfläche verschwunden. Diese stark beeinflussten Gewässer können ihren ökologischen Funktionen nur sehr eingeschränkt oder gar nicht nachkommen.
D.h. sie dienen nur wenigen Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum, können sich nicht selbst reinigen, tragen wenig zur Grundwasserbildung bei und halten kein Wasser für die regenärmere Zeit des Jahres zurück. Im Gegenteil: das Wasser wird möglichst schnell abgeführt, Retentionsräume werden abgeschnitten, was zu Erosion und Vertiefung des Flussbettes führt und das Hochwasserproblem lediglich in den Unterlauf verlegt.
Deshalb: Renaturierung.
Wir wollen den Bächen und Flüssen ihre Selbstreinigungskräfte zurückgeben, wir wollen eine ästhetisch ansprechende und erlebbare Natur und Mitwelt schaffen.
Ziele
Was wir mit der naturnahen Gestaltung der Fließgewässer erreichen wollen:
- Hochwasserschutz wiederherstellen,
- Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten schaffen,
- Erosion mindern,
- Wasserrückhalt durch geringere Fließgeschwindigkeiten, Altarme etc.,
- Selbstreinigung ermöglichen,
- Sauerstoffanreicherung des Wassers durch Pflanzen,
- ästhetische, artenreiche und standortgerechte Ufergestaltung,
- Grundwasserbildung fördern,
- wechselnde Fließgeschwindigkeiten und Wassertiefen,
- Altarme und Verlandungsgebiete,
- Biotopverbund, bzw. -vernetzung,
- natürliche Ufersicherung durch Bäume u.a. Pflanzen,
- Randzone als Puffer zwischen Gewässer und Landschaft und
- Schutz vor übermäßiger Erwärmung durch Beschattung durch Bäume.
Grundsätze für den Rückbau
Das Erscheinungsbild eines Bach oder Flusslaufes wird durch ein komplexes Wirkungsgefüge bestimmt. D.h. man darf einen Flussausschnitt nicht gesondert betrachten, sondern muss den Fluss als Ganzes sehen, seine Einzugsgebiete und Auen. Jedes Gewässer ist einmalig.
Planungen sind nicht übertragbar, landschaftstypische Besonderheiten müssen berücksichtigt werden. Renaturieren heißt im besten Fall, dem Gewässer Raum für Eigendynamik und Entwicklung zu geben.
Mittel der Renaturierung
Technische Mittel
Totbauweise
Unter Totbauweise versteht man die Verwendung nicht lebender Werkstoffe wie Steine, Totholz, Beton, Metall, Geotextilien und Kunststoff.
Verwendung finden diese Bauweisen in der Sicherung der Gewässersohle, des Böschungsfußes und der eigentlichen Böschung, besonders wenn der Einbau von Pflanzen nicht möglich ist, da z.B. die Fließgeschwindigkeit zu hoch oder die Böschung zu steil ist.
Lebendbauweise
Lebende Baustoffe sind Rhizome, Sprösslinge, Samen, Steckhölzer, u.a. Pflanzen und Pflanzenteile. Sie werden v.a. zur Ufer- und Böschungssicherung eingesetzt.
Eine Kombination mit Totbauweisen ist möglich.
Sohlenschutz
Bei großen Fließgeschwindigkeiten und starkem Gefälle ist die Gewässersohle der Tiefenerosion und der Sohlenkolkbildung ausgesetzt.
Diese Gefahr soll durch Einbau von Querbauten über die gesamte Flussbreite, sogenannte Sohlgurte oder -schwellen, das sind sohlengleich eingelegte Steinwalzen oder Pfahlreihen, gebannt werden.
Schutz des Böschungsfußes
Kann dem Fließgewässer kein Raum für Eigendynamik zugestanden werden, muss die Böschung vor Auskolkung und Uferabbrüchen geschützt werden.
Dies geschieht mittels Steinschüttung, Steinwalzen, Kammerdeckwerk und Faschinen (Kokosfaser oder Reisig).
Schutz der Böschung
Im Bereich der Mittelwasserlinie kommen bevorzugt Totbauweisen kombiniert mit Pflanzen zur Anwendung.
So können bepflanzte Steinwalzen, so genannte vegetative Steinwalzen, Röhrichtwalzen (bepflanzte Vegetationsfaschinen aus Kokosfasern), vegetatives Deckwerk (bepflanztes Kammerdeckwerk) oder ausschlagfähige Faschinen aus Weidenruten verwendet werden.
Die eigentliche Böschung schließlich wird je nach Neigung und Erosionsgefahr mit Vegetationsmatten (Geotextil mit Röhrichtpflanzen), Vegetationspaletten (mit einem Kokosfaserkern verstärkte Variante der Vegetationsmatte), Grasansaat oder Grasmatten (mit Gras durchwurzeltes Geotextil, sofortiger Erosionsschutz), Weidenspreitlagen und Baumpflanzung gesichert.
Wasserklärung
Als besonderes Anliegen der Renaturierung betrachten wir es den Fließgewässern ihr Selbstreinigungsvermögen zurückzugeben.
Höhere Wasserpflanzen wirken wie Filter und halten schwebende Feststoffe zurück, die dann von Tieren und Algen, deren Wohnstätte sie sind, abgebaut werden.
Aber Wasserpflanzen und Uferbewuchs können noch mehr. Einige Arten nehmen Schadstoffe, Schwermetalle und Mineralsalze auf, töten Bakterien und reichern das Wasser mit Sauerstoff an, was einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Wasserqualität unserer Fliessgewässer darstellt.
Schwimmkampen
Diese schwimmenden Inseln erweitern den wasserreinigenden Effekt des Uferbewuchses, indem mittels eines tragfähigen Edelstahlrahmens und eines Netzes Röhrichtarten direkt im Fluss oder See mit ihrem weitverzweigten Wurzelhorizont das Wasser klären.